Berechnung des Unterhalts
Die Berechnung von Unterhaltsansprüchen gehört zu den komplexeren Aspekten des Unterhaltsrechts. Je nach Unterhaltsart kommen unterschiedliche Berechnungsmethoden zum Einsatz. Dieser Leitfaden gibt Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Berechnungsmodelle und die dabei zu berücksichtigenden Faktoren.
Grundlagen der Unterhaltsberechnung
Unabhängig von der Art des Unterhalts basiert jede Unterhaltsberechnung auf zwei zentralen Faktoren:
- Bedarf des Unterhaltsberechtigten: Der angemessene Lebensbedarf, der gedeckt werden muss
- Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen: Die finanziellen Möglichkeiten unter Berücksichtigung des eigenen Selbstbehalts
Nur wenn beide Faktoren vorliegen – also der Berechtigte bedürftig und der Verpflichtete leistungsfähig ist – besteht ein durchsetzbarer Unterhaltsanspruch.
Einkommensermittlung als Grundlage
Basis jeder Unterhaltsberechnung ist die Ermittlung des relevanten Einkommens des Unterhaltspflichtigen. Zum unterhaltsrelevanten Einkommen zählen:
- Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
- Kapitalerträge
- Steuererstattungen
- Sonstige regelmäßige Einkünfte (z.B. Renten)
- Unter Umständen auch fiktives Einkommen bei bewusster Einkommensminderung
Vom so ermittelten Einkommen können bestimmte Positionen abgezogen werden:
- Berufsbedingte Aufwendungen
- Schuldenraten (unter bestimmten Voraussetzungen)
- Vorsorgeaufwendungen
- Altersvorsorge (angemessener Anteil)
Berechnung des Kindesunterhalts
Die Düsseldorfer Tabelle
Die Berechnung des Kindesunterhalts erfolgt primär anhand der Düsseldorfer Tabelle, die vom Oberlandesgericht Düsseldorf herausgegeben und regelmäßig aktualisiert wird. Die Tabelle berücksichtigt:
- Das Alter des Kindes (gestaffelt in Altersstufen)
- Das unterhaltsrelevante Nettoeinkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils
Die Düsseldorfer Tabelle gibt Regelbeträge vor, die als Richtwerte dienen. Der konkrete Unterhalt kann durch verschiedene Faktoren modifiziert werden.
Mindestunterhalt
Nach § 1612a BGB gibt es einen Mindestunterhalt für minderjährige Kinder, der sich am steuerlichen Existenzminimum orientiert. Dieser Mindestunterhalt wird regelmäßig angepasst und dient als Ausgangsbasis für die Düsseldorfer Tabelle.
Anrechnung des Kindergelds
Das Kindergeld wird bei minderjährigen Kindern hälftig auf den Unterhaltsbetrag angerechnet. Bei volljährigen Kindern wird das Kindergeld vollständig angerechnet.
Besonderheiten bei volljährigen Kindern
Bei volljährigen Kindern ändert sich die Berechnungsweise:
- Beide Elternteile werden barunterhaltspflichtig
- Das Einkommen beider Eltern wird berücksichtigt (anteilig nach Leistungsfähigkeit)
- Höherer Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen
- Volle Anrechnung des Kindergelds
Mehr erfahren: Kindesunterhalt
Berechnung des Ehegattenunterhalts
Für den Ehegattenunterhalt (Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt) kommen zwei Hauptberechnungsmethoden in Betracht:
Quotenmethode
Bei der Quotenmethode, die am häufigsten angewendet wird, erfolgt die Berechnung in diesen Schritten:
- Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens beider Ehegatten
- Vom Einkommen des höher verdienenden Ehegatten wird der notwendige Selbstbehalt abgezogen
- Von der verbleibenden Differenz steht dem bedürftigen Ehegatten ein bestimmter Prozentsatz zu:
- 3/7 (ca. 43%) bei Erwerbstätigkeit beider Ehegatten
- 1/2 (50%) wenn ein Ehegatte nicht erwerbstätig ist
Differenzmethode (Halbteilungsgrundsatz)
Die Differenzmethode kommt insbesondere bei großen Einkommensunterschieden zur Anwendung:
- Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens beider Ehegatten
- Die Differenz zwischen beiden Einkommen wird ermittelt
- Der unterhaltsberechtigte Ehegatte erhält die Hälfte dieser Differenz
Modifikation durch Erwerbsobliegenheit
Nach der Scheidung besteht grundsätzlich die Obliegenheit zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (§ 1574 BGB). Der Unterhaltsberechtigte muss sich daher in der Regel um eigenes Einkommen bemühen. Bei nicht ausreichender Erwerbstätigkeit kann ein fiktives Einkommen angesetzt werden.
Mehr erfahren: Ehegattenunterhalt
Berechnung des Elternunterhalts
Die Berechnung des Elternunterhalts unterscheidet sich deutlich von anderen Unterhaltsarten:
-
Bedarfsermittlung der Eltern:
- Heimpflegekosten oder sonstige Pflegekosten
- Abzüglich eigener Einkünfte (Rente, Pflegeversicherung, etc.)
- Abzüglich eines angemessenen Taschengelds (ca. 5-10% der Regelaltersrente)
-
Leistungsfähigkeit der Kinder:
- Höherer Selbstbehalt als bei anderen Unterhaltsarten (in der Regel mind. 2.000 € für Alleinstehende)
- Schonvermögen für eigene Altersvorsorge
- Berücksichtigung von Belastungen durch eigene Familie
-
Berechnung des geschuldeten Betrags:
- Individuell nach dem konkreten Bedarf
- Bei mehreren Kindern anteilige Verteilung nach Leistungsfähigkeit
Wichtig: Seit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz (2020) werden Kinder erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 € zum Elternunterhalt herangezogen.
Mehr erfahren: Elternunterhalt
Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen
Der Selbstbehalt ist der Betrag, der dem Unterhaltspflichtigen für seinen eigenen Lebensbedarf verbleiben muss. Die Höhe des Selbstbehalts variiert je nach Art des Unterhalts:
Aktueller Selbstbehalt (Stand: 2024)
- Gegenüber minderjährigen Kindern: 1.450 € für Erwerbstätige, 1.250 € für Nichterwerbstätige
- Gegenüber volljährigen Kindern: 1.550 € für Erwerbstätige
- Gegenüber Ehegatten: 1.550 € (Trennungsunterhalt, angemessene Erhöhung bei nachehelichem Unterhalt möglich)
- Gegenüber Eltern: Mindestens 2.000 € (häufig auch höher)
Der Selbstbehalt wird regelmäßig angepasst. Aktuelle Werte finden Sie in unserem Tabellenwerk zu Selbstbehaltsätzen.
Besondere Faktoren bei der Unterhaltsberechnung
Mangelfälle
Wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht ausreicht, um allen Unterhaltsberechtigten den vollen Unterhalt zu zahlen, liegt ein Mangelfall vor. In diesem Fall wird der verfügbare Betrag nach der gesetzlichen Rangfolge (§ 1609 BGB) verteilt:
- Minderjährige Kinder und privilegierte volljährige Kinder
- Kinderbetreuende Elternteile und Ehegatten bei langer Ehedauer
- Sonstige Ehegatten
- Weitere Kinder
- Enkelkinder
- Eltern
- Weitere Verwandte in aufsteigender Linie
Dynamischer Unterhalt
Unterhaltsvereinbarungen oder -titel können als "dynamischer Unterhalt" ausgestaltet werden, um Anpassungen an steigende Lebenshaltungskosten oder Einkommensveränderungen zu berücksichtigen:
- Prozentuale Bindung an die Düsseldorfer Tabelle
- Koppelung an bestimmte Indizes (z.B. Verbraucherpreisindex)
- Prozentuale Bindung an das Einkommen des Pflichtigen
Mehrbedarf
In bestimmten Fällen kann ein Mehrbedarf entstehen, der über den regulären Unterhalt hinausgeht:
- Außergewöhnliche Gesundheitskosten
- Besondere Ausbildungskosten
- Umzugskosten oder einmalige Anschaffungen
- Kosten für einen erweiterten Umgang mit dem getrennt lebenden Elternteil
Praktische Unterhaltsberechnung mit unseren Rechnern
Die Berechnung des Unterhalts kann aufgrund der vielen Faktoren komplex sein. Unsere Rechner-Tools bieten Ihnen eine einfache Möglichkeit, eine erste Einschätzung zu erhalten:
Fazit: Individuelle Berechnung notwendig
Die Höhe des Unterhalts hängt von zahlreichen individuellen Faktoren ab. Die hier vorgestellten Berechnungsmethoden bieten eine Orientierung, ersetzen aber keine individuelle Beratung durch einen Fachanwalt für Familienrecht oder das Jugendamt. Besonders in komplexen Fällen, wie bei selbständiger Tätigkeit, schwankendem Einkommen oder speziellen Belastungen, ist eine fachkundige Einschätzung unerlässlich.
Bei Unterhaltsstreitigkeiten können auch Unterhaltsleitlinien der jeweiligen Oberlandesgerichte zur Anwendung kommen, die regional unterschiedliche Regelungen enthalten.