Befristung und Herabsetzung des Ehegattenunterhalts
Nach der Unterhaltsreform von 2008 ist die zeitliche Begrenzung und Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts wesentlich erleichtert worden. Statt des früheren Grundsatzes eines lebenslangen Unterhalts steht nun die wirtschaftliche Eigenverantwortung der geschiedenen Ehegatten im Vordergrund. Diese Seite erläutert die rechtlichen Grundlagen, Voraussetzungen und Durchführung von Befristung und Herabsetzung des Ehegattenunterhalts.
Rechtliche Grundlagen
Gesetzliche Verankerung (§ 1578b BGB)
Die Möglichkeit zur Befristung und Herabsetzung ist in § 1578b BGB geregelt:
"(1) Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. [...]
(2) Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. [...]"
Diese Regelung betrifft:
- Alle Unterhaltstatbestände nach §§ 1570-1576 BGB
- Ausschließlich den nachehelichen Unterhalt (nicht den Trennungsunterhalt)
- Sowohl Neuanträge als auch bestehende Unterhaltstitel
Unterschied zwischen Befristung und Herabsetzung
Obwohl oft gemeinsam angewendet, verfolgen Befristung und Herabsetzung unterschiedliche Ansätze:
Befristung (zeitliche Begrenzung):
- Festlegung eines Endzeitpunkts für die Unterhaltspflicht
- Vollständiges Erlöschen des Anspruchs nach Ablauf der Frist
- Orientierung an der Zeit, die der Berechtigte benötigt, um wirtschaftlich eigenständig zu werden
Herabsetzung:
- Reduzierung des Unterhaltsbetrags unter den ehelichen Lebensstandard
- Begrenzung auf den angemessenen Lebensbedarf
- Kann auch ohne zeitliche Begrenzung erfolgen
- Häufig als stufenweise Reduktion gestaltet
Voraussetzungen für Befristung und Herabsetzung
Grundprinzip der Billigkeit
Zentrale Voraussetzung ist die "Unbilligkeit" eines unbefristeten oder vollen Unterhalts:
- Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände
- Abwägung zwischen den Interessen beider Ehegatten
- Besondere Berücksichtigung der Belange gemeinsamer Kinder
- Maßstab ist die Angemessenheit und Fairness im Einzelfall
Ehebedingte Nachteile als zentrales Kriterium
Entscheidend für die Frage der Befristung sind ehebedingte Nachteile:
- Verzicht auf berufliches Fortkommen zugunsten der Familie
- Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit wegen Kinderbetreuung
- Umzug und Karriereverzicht zugunsten des Partners
- Verlust von Qualifikationen oder Berufschancen durch die Ehe
Fehlen solche ehebedingten Nachteile, ist eine Befristung oder Herabsetzung in der Regel angemessen.
Bedeutung der Ehedauer
Die Dauer der Ehe spielt eine wesentliche Rolle:
- Kurze Ehen (unter 3 Jahren): regelmäßig Befristung möglich
- Mittellange Ehen (3-10 Jahre): Einzelfallprüfung erforderlich
- Lange Ehen (über 15 Jahre): Befristung in der Regel nur bei fehlenden ehebedingten Nachteilen
- Bei allen Kategorien: Betreuung gemeinsamer Kinder kann Befristung ausschließen
Die nichteheliche Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung wird bei der Beurteilung der Ehedauer grundsätzlich nicht berücksichtigt, kann aber im Einzelfall relevant sein.
Nachehezeitliche Entwicklung
Die Entwicklung nach der Scheidung kann ebenfalls relevant sein:
- Verbesserung der beruflichen Situation des Unterhaltsberechtigten
- Eigene Bemühungen zur wirtschaftlichen Selbständigkeit
- Versäumte Chancen zur beruflichen Rehabilitation
- Neue Partnerschaften (ohne verfestigte Lebensgemeinschaft)
Durchführung von Befristung und Herabsetzung
Formen der Befristung
Die Befristung kann in verschiedenen Formen erfolgen:
-
Absolute Befristung:
- Fester Endzeitpunkt für den Unterhalt
- Beispiel: "Unterhalt bis zum 31.12.2025"
-
Stufenweise Herabsetzung (Abschmelzungsmodell):
- Schrittweise Reduzierung über mehrere Jahre
- Beispiel: "2.000 € monatlich bis 31.12.2023, dann 1.500 € bis 31.12.2024, dann 1.000 € bis 31.12.2025, danach kein Unterhalt mehr"
-
Ereignisbezogene Befristung:
- Knüpfung an ein bestimmtes Ereignis
- Beispiel: "Unterhalt bis zur Einschulung des jüngsten Kindes"
-
Kombinationsmodelle:
- Mischung aus Herabsetzung und zeitlicher Begrenzung
- Anpassung an Erwerbsmöglichkeiten und Einkommenschancen
Maßstäbe für die Befristungsdauer
Die Dauer der Befristung orientiert sich an:
- Zeit, die für die Überwindung ehebedingter Nachteile benötigt wird
- Alter und Gesundheitszustand des Unterhaltsberechtigten
- Qualifikation und Arbeitsmarktchancen
- Dauer der Ehe und Umfang der ehebedingten Nachteile
- Betreuungssituation gemeinsamer Kinder
Bei längeren Ehen und deutlichen ehebedingten Nachteilen werden oft längere Übergangsfristen gewährt.
Konkrete Befristungszeiträume in der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung hat gewisse Orientierungslinien entwickelt:
- Kurze Ehen ohne Kinder: 1/4 bis 1/3 der Ehedauer als Befristungszeitraum
- Mittellange Ehen: Bis zu 1/2 der Ehedauer, je nach Einzelfall
- Lange Ehen: In der Regel längere Übergangsfristen, oft mehrere Jahre
- Bei Kinderbetreuung: Mindestens bis zum 3. Lebensjahr des Kindes, danach stufenweise Anpassung
Diese Richtwerte sind jedoch keine starren Regeln und werden je nach Einzelfall angepasst.
Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf
Begriff des angemessenen Lebensbedarfs
Der "angemessene Lebensbedarf" als Maßstab für die Herabsetzung:
- Liegt zwischen dem Existenzminimum und dem ehelichen Lebensstandard
- Orientiert sich am Lebensstandard vor der Ehe
- Berücksichtigt die eigene Leistungsfähigkeit des Berechtigten
- Wird individuell ermittelt, keine pauschalen Beträge
Kriterien für die Herabsetzung
Die Entscheidung über eine Herabsetzung berücksichtigt:
- Ausmaß der ehebedingten Nachteile
- Ehedauer und Intensität der ehelichen Lebensgemeinschaft
- Bestehende Vermögensverhältnisse
- Alterssicherung beider Ehegatten
- Gesundheitszustand des Unterhaltsberechtigten
Berechnung des herabgesetzten Unterhalts
Die Berechnung erfolgt individuell, wobei oft:
- Ein Basisunterhalt festgelegt wird (angemessener Lebensbedarf)
- Ein Zusatzunterhalt zum Ausgleich ehebedingter Nachteile hinzukommt
- Eine zeitliche Staffelung mit abnehmendem Betrag vorgesehen wird
- Regionale Unterschiede in der Rechtsprechung bestehen
Befristung bei den verschiedenen Unterhaltstatbeständen
Befristung des Betreuungsunterhalts (§ 1570 BGB)
Besondere Regeln gelten für den Unterhalt wegen Kinderbetreuung:
- Grundsätzlich voller Unterhalt bis zum 3. Lebensjahr des Kindes
- Danach Erwartung einer stufenweisen Rückkehr ins Erwerbsleben
- Verlängerungsmöglichkeiten bei besonderen Umständen (z.B. fehlende Betreuungsplätze, besonderer Förderbedarf des Kindes)
- Berücksichtigung des Kindeswohls hat Vorrang vor Befristungsinteressen
Befristung des Aufstockungsunterhalts (§ 1573 Abs. 2 BGB)
Der Aufstockungsunterhalt bei unzureichendem Einkommen:
- Besonders häufig Gegenstand von Befristungen
- Zeitraum orientiert sich an der Dauer und Intensität der ehebedingten Nachteile
- Möglichkeit der stufenweisen Reduzierung (Abschmelzungsmodell)
- Bei fehlenden ehebedingten Nachteilen: Kurze Übergangsfristen
Befristung bei Alters- und Krankheitsunterhalt (§§ 1571, 1572 BGB)
Bei Unterhalt wegen Alter oder Krankheit gelten besondere Maßstäbe:
- Befristung grundsätzlich möglich, aber höhere Hürden
- Berücksichtigung der Möglichkeit eigener Altersvorsorge
- Prüfung alternativer Einkommensquellen (Renten, Sozialleistungen)
- Gesundheitliche Einschränkungen können Befristung ausschließen
Verfahren zur Durchsetzung einer Befristung
Erstmalige Festsetzung
Bei der erstmaligen Festsetzung des Unterhalts:
- Antrag auf Befristung/Herabsetzung im Unterhaltsverfahren
- Darlegungslast für fehlende ehebedingte Nachteile beim Unterhaltspflichtigen
- Individuelle Prüfung durch das Familiengericht
- Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung
Abänderung bestehender Titel
Bei bereits bestehenden Unterhaltstiteln:
- Abänderungsklage nach § 238 FamFG
- Besondere Regelung für "Altfälle" aus der Zeit vor der Unterhaltsreform 2008
- Erfordernis einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse
- Bei unbefristeten Altentscheidungen: Zeitablauf kann für eine Befristung sprechen
Einvernehmliche Regelungen
Vorteile einer einvernehmlichen Regelung:
- Vermeidung langwieriger und kostspieliger Gerichtsverfahren
- Planungssicherheit für beide Seiten
- Möglichkeit individueller, auf den Einzelfall zugeschnittener Lösungen
- Notarielle Beurkundung erforderlich (§ 1585c BGB)
Aktuelle Rechtsprechung zur Befristung
Tendenz zur Stärkung der Eigenverantwortung
Die Rechtsprechung des BGH tendiert zur Stärkung der Eigenverantwortung:
- Erhöhte Anforderungen an die Darlegung ehebedingter Nachteile
- Erweiterte Anwendung der Befristungsmöglichkeiten
- Stärkere Erwartung zur beruflichen Neuorientierung
- Differenzierung je nach Ehedauer und familiärer Situation
Wichtige BGH-Entscheidungen
Einige wegweisende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:
- BGH XII ZR 121/08: Bedeutung der Ehedauer für die Befristung
- BGH XII ZR 57/09: Ausgleich ehebedingter Nachteile als zentrale Aufgabe des nachehelichen Unterhalts
- BGH XII ZR 74/08: Stufenweise Herabsetzung bei Betreuungsunterhalt
- BGH XII ZR 296/12: Befristung bei langer Ehe ohne ehebedingte Nachteile
Unterschiede in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte
Regionale Unterschiede in der Befristungspraxis:
- Süddeutsche OLG (z.B. München, Stuttgart): tendenziell längere Fristen
- Norddeutsche OLG (z.B. Hamburg, Schleswig): tendenziell kürzere Fristen
- Unterschiedliche Bewertung der Ehedauer und der ehebedingten Nachteile
- Verschiedene Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast
Besondere Konstellationen
Befristung bei Betreuung kranker oder behinderter Kinder
Wenn ein Ehegatte ein krankes oder behindertes Kind betreut:
- Höhere Hürden für eine Befristung
- Berücksichtigung des besonderen Betreuungsbedarfs
- Mögliche Verlängerung über das 3. Lebensjahr hinaus
- Individuelle Prüfung des Einzelfalls erforderlich
Befristung bei Altersehen
Bei Ehen, die erst im fortgeschrittenen Alter geschlossen wurden:
- Grundsätzlich erleichterte Befristung
- Berücksichtigung der vorherigen Lebensverhältnisse
- Kürzere Übergangsfristen aufgrund geringerer ehebedingter Nachteile
- Beachtung der Möglichkeiten zur eigenen Altersversorgung
Befristung nach sehr langer Ehe
Bei besonders langen Ehen (über 20 Jahre):
- Höhere Hürden für eine Befristung
- Längere Übergangsfristen
- Stärkere Berücksichtigung von Alter und Gesundheitszustand
- Oft kombiniert mit stufenweiser Herabsetzung statt vollständiger Befristung
Praktische Tipps
Für Unterhaltsberechtigte
- Frühzeitige Dokumentation ehebedingter Nachteile
- Aktive Bemühungen um berufliche Wiedereingliederung
- Aufbau einer eigenen Altersvorsorge, soweit möglich
- Bei drohender Befristung: Prüfung einer einvernehmlichen Regelung mit längerer Übergangsfrist
Für Unterhaltspflichtige
- Sorgfältige Prüfung der Voraussetzungen für eine Befristung
- Realistische Einschätzung der Übergangsfristen
- Berücksichtigung der Belange gemeinsamer Kinder
- Abwägung zwischen Prozessrisiko und einvernehmlicher Lösung
Fazit und weiterführende Informationen
Die Befristung und Herabsetzung des Ehegattenunterhalts ist ein komplexes Themengebiet, das stark vom Einzelfall abhängt. Die Unterhaltsreform von 2008 hat den Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung gestärkt und die Möglichkeiten zur zeitlichen Begrenzung des Unterhalts erweitert. Dennoch spielen ehebedingte Nachteile, die Ehedauer und insbesondere die Betreuung gemeinsamer Kinder eine wichtige Rolle bei der Entscheidung über eine Befristung.
Eine frühzeitige und kompetente Beratung ist in Fragen der Befristung besonders wichtig, da die Rechtsprechung regional unterschiedlich und in ständiger Entwicklung ist.
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