Wer ist unterhaltspflichtig?
Im deutschen Unterhaltsrecht ist genau geregelt, welche Personen in welchen Situationen zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet sind. Die Unterhaltspflicht ergibt sich hauptsächlich aus familiären Beziehungen und basiert auf dem Prinzip der familiären Solidarität. Dieser Überblick zeigt Ihnen, wer unter welchen Voraussetzungen unterhaltspflichtig ist.
Gesetzliche Grundlagen der Unterhaltspflicht
Die Unterhaltspflicht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Eine zentrale Vorschrift ist § 1601 BGB, der bestimmt:
"Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren."
Zusätzlich gibt es spezifische Regelungen für verschiedene Familienkonstellationen, wie zum Beispiel zwischen Ehegatten oder zwischen Eltern und Kindern.
Unterhaltspflichtige Personen im Überblick
Eltern gegenüber ihren Kindern
Beide Eltern sind gegenüber ihren Kindern unterhaltspflichtig. Dies gilt für:
- Eheliche Kinder
- Nichteheliche Kinder
- Adoptivkinder (nicht jedoch Stiefkinder)
Die Unterhaltspflicht besteht grundsätzlich:
- Bis zur Volljährigkeit
- Darüber hinaus bis zum Abschluss einer angemessenen Berufsausbildung
- Unter Umständen auch lebenslang (z.B. bei Behinderung des Kindes)
Bei minderjährigen Kindern erfüllt der betreuende Elternteil seine Unterhaltspflicht in der Regel durch die Pflege und Erziehung (Betreuungsunterhalt), während der andere Elternteil Barunterhalt zahlt. Bei volljährigen Kindern sind in der Regel beide Elternteile barunterhaltspflichtig.
Ehegatten untereinander
Ehegatten sind während der Ehe, nach Trennung und unter bestimmten Voraussetzungen auch nach der Scheidung untereinander unterhaltspflichtig:
-
Während der Ehe (§ 1360 BGB):
- Gegenseitige Verpflichtung zum angemessenen Familienunterhalt
- Umfasst alle Bedürfnisse des täglichen Lebens
-
Nach der Trennung (§ 1361 BGB):
- Der wirtschaftlich stärkere Ehepartner muss den bedürftigen Partner unterstützen
- Diese Pflicht besteht bis zur rechtskräftigen Scheidung
-
Nach der Scheidung (§§ 1569 ff. BGB):
- Grundsätzlich Eigenverantwortung beider Partner
- Unterhaltspflicht nur bei Vorliegen bestimmter Unterhaltstatbestände (z.B. Betreuung gemeinsamer Kinder, Alter, Krankheit)
Das gleiche gilt für eingetragene Lebenspartnerschaften.
Kinder gegenüber ihren Eltern (Elternunterhalt)
Erwachsene Kinder sind gegenüber ihren bedürftigen Eltern unterhaltspflichtig. Seit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz (2020) gilt jedoch:
- Die Unterhaltspflicht greift erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 €
- Diese Grenze soll die finanzielle Belastung für die mittlere Generation begrenzen
- Unterhalb dieser Einkommensgrenze springt in der Regel der Staat ein (Sozialhilfe)
Die Unterhaltspflicht besteht nicht gegenüber Schwiegereltern.
Weitere unterhaltspflichtige Verwandte
Neben den häufigsten Konstellationen gibt es weitere Unterhaltspflichten zwischen Verwandten in gerader Linie:
- Großeltern gegenüber Enkelkindern (nachrangig zu den Eltern)
- Enkelkinder gegenüber Großeltern (nachrangig zu den Kindern)
- Urgroßeltern gegenüber Urenkeln (und umgekehrt)
Wichtig: Zwischen Geschwistern oder anderen Verwandten in der Seitenlinie (Onkel, Tanten, etc.) besteht keine gesetzliche Unterhaltspflicht.
Besondere Fälle
Nichteheliche Lebensgemeinschaften
- Keine gegenseitige Unterhaltspflicht der Partner
- Ausnahme: Unterhalt für den betreuenden Elternteil nach § 1615l BGB (begrenzt auf mindestens 3 Jahre nach der Geburt des Kindes)
Stiefkinder und Pflegekinder
- In der Regel keine Unterhaltspflicht des Stiefelternteils gegenüber Stiefkindern
- Pflegeeltern sind grundsätzlich nicht unterhaltspflichtig gegenüber Pflegekindern
Voraussetzungen der Unterhaltspflicht
Die Unterhaltspflicht besteht nur unter bestimmten Voraussetzungen:
Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten
Der Unterhaltsberechtigte muss bedürftig sein, d.h. nicht in der Lage, seinen angemessenen Lebensbedarf aus eigenen Mitteln zu decken. Dies kann der Fall sein wegen:
- Fehlenden oder unzureichenden Einkommens
- Kindesalter oder Ausbildung
- Krankheit oder Behinderung
- Alters und damit verbundener eingeschränkter Erwerbsfähigkeit
Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen
Der Unterhaltspflichtige muss leistungsfähig sein, d.h. in der Lage, Unterhalt zu zahlen, ohne seinen eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden:
- Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts
- Vorrangige Deckung des eigenen Lebensbedarfs
- Unter Umständen Berücksichtigung von fiktivem Einkommen bei bewusster Einkommensreduzierung
Rangfolge bei mehreren Unterhaltsberechtigten
Wenn eine unterhaltspflichtige Person mehreren Unterhaltsberechtigten verpflichtet ist, aber nicht alle Ansprüche erfüllen kann, gilt die gesetzliche Rangfolge nach § 1609 BGB:
- Minderjährige Kinder und privilegierte volljährige Kinder (bis 21 Jahre, im Haushalt der Eltern lebend und in allgemeiner Schulausbildung)
- Elternteile, die ein Kind betreuen und Ehegatten bei langjähriger Ehe
- Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Punkt 2 fallen
- Kinder, die nicht unter Punkt 1 fallen
- Enkelkinder und weitere Abkömmlinge
- Eltern
- Weitere Verwandte in aufsteigender Linie
Diese Rangfolge stellt sicher, dass vorrangig minderjährige Kinder und kinderbetreuende Elternteile versorgt werden, bevor andere Berechtigte Unterhalt erhalten.
Mehrere Unterhaltspflichtige
Wenn mehrere Personen gegenüber einer Person unterhaltspflichtig sind, wird der Unterhalt anteilig nach der Leistungsfähigkeit verteilt:
- Bei Eltern gegenüber Kindern: Aufteilung entsprechend dem Verhältnis der Einkommen
- Bei Kindern gegenüber Eltern: Aufteilung nach den Einkommensverhältnissen der Kinder
- Bei Verwandten gleichen Grades: Anteilige Haftung nach Leistungsfähigkeit
Befreiung von der Unterhaltspflicht
In bestimmten Fällen kann eine Befreiung von der Unterhaltspflicht in Betracht kommen:
Verwirkung des Unterhaltsanspruchs
Nach § 1611 BGB kann der Unterhaltsanspruch ganz oder teilweise entfallen, wenn der Berechtigte:
- Sich eines Verbrechens oder schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen schuldig gemacht hat
- Seine eigene Bedürftigkeit vorsätzlich herbeigeführt hat
- Seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Verpflichteten gröblich vernachlässigt hat
Beschränkung oder Versagung aus Billigkeitsgründen
Bei Ehegattenunterhalt kann der Anspruch nach § 1579 BGB ganz oder teilweise versagt werden, wenn:
- Die Ehe von kurzer Dauer war (in der Regel unter 3 Jahren)
- Der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt
- Der Berechtigte sich eines Verbrechens oder schweren Vergehens gegen den Verpflichteten schuldig gemacht hat
- Die Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt wurde
- Der Berechtigte seine Pflichten zur wirtschaftlichen Absicherung der Familie gröblich verletzt hat
Fazit: Unterhaltsrecht ist komplex
Die Frage, wer unterhaltspflichtig ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt von der individuellen Familienkonstellation und den persönlichen Umständen ab. Für eine genaue Einschätzung Ihrer Situation kann es ratsam sein, rechtlichen Rat einzuholen.
Beachten Sie, dass Unterhaltspflichten auch Veränderungen unterliegen können, wenn sich die Lebensumstände der Beteiligten ändern. Regelmäßige Überprüfungen und gegebenenfalls Anpassungen sind daher empfehlenswert.