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Unterhalt bei Wiederheirat – Was ändert sich für Unterhaltspflichtige und -berechtigte?

Unterhalt bei Wiederheirat – Was ändert sich für Unterhaltspflichtige und -berechtigte?

Die Wiederheirat nach einer Scheidung wirft zahlreiche unterhaltsrechtliche Fragen auf. Welche Ansprüche erlöschen? Welche bestehen fort? Und welche steuerlichen Folgen sind zu beachten? Dieser Ratgeber gibt einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Auswirkungen einer erneuten Eheschließung.

Grundlegende rechtliche Auswirkungen der Wiederheirat

Eine Wiederheirat hat weitreichende Konsequenzen für bestehende Unterhaltsverhältnisse. Während einige Unterhaltsansprüche automatisch erlöschen, bleiben andere bestehen oder ändern sich in ihrer Höhe und Berechnungsgrundlage.

Nachehelicher Unterhalt

Die wichtigste und eindeutigste Rechtsfolge: Mit der Wiederheirat erlischt der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gegenüber dem Ex-Partner unwiderruflich. Dies ist in § 1586 BGB gesetzlich festgelegt und gilt ohne Ausnahme. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass nun der neue Ehepartner für den Unterhalt aufkommt.

Wichtig zu wissen: Der Unterhaltsanspruch erlischt nicht rückwirkend, sondern erst mit dem Tag der erneuten Eheschließung. Bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Unterhaltsrückstände müssen weiterhin beglichen werden.

Kindesunterhalt

Im Gegensatz zum nachehelichen Unterhalt bleibt die Unterhaltspflicht gegenüber den eigenen Kindern von einer Wiederheirat grundsätzlich unberührt. Die biologischen oder rechtlichen Eltern bleiben weiterhin zum Unterhalt verpflichtet. Allerdings kann sich die Berechnung des Kindesunterhalts ändern:

  1. Änderung der steuerlichen Situation: Durch die Wiederheirat und einen möglichen Wechsel der Steuerklasse kann sich das verfügbare Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen verändern.

  2. Neue Unterhaltspflichten: Bringt der neue Ehepartner Kinder mit in die Ehe, können für diese ebenfalls Unterhaltspflichten entstehen (Stiefkindunterhalt unter bestimmten Voraussetzungen).

  3. Gemeinsame Haushaltsführung: Die Wiederheirat kann zu Einsparungen durch gemeinsame Haushaltsführung führen, was die Leistungsfähigkeit erhöhen kann.

Auswirkungen auf den Unterhaltsberechtigten (Ex-Partner)

Ende des nachehelichen Unterhalts

Mit der Wiederheirat verliert der unterhaltsberechtigte Ex-Partner seinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt endgültig. Dies gilt selbst dann, wenn:

  • die neue Ehe nur kurz andauert
  • der neue Ehepartner nicht leistungsfähig ist
  • die neue Ehe geschieden wird

Eine Ausnahme besteht nur, wenn im Scheidungsvergleich oder Unterhaltsvertrag ausdrücklich vereinbart wurde, dass der Unterhalt auch bei Wiederheirat weitergezahlt wird – was in der Praxis äußerst selten vorkommt.

Risiko des "Unterhaltsvakuums"

Ein besonderes Risiko besteht für Unterhaltsberechtigte in der Phase zwischen Wiederheirat und möglicher Scheidung der neuen Ehe. Sollte die neue Ehe scheitern, lebt der Unterhaltsanspruch gegenüber dem ersten Ex-Partner nicht wieder auf. Gleichzeitig besteht gegenüber dem neuen Partner vor Ablauf des Trennungsjahres kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, sondern lediglich auf Trennungsunterhalt.

Praxistipp: Vor einer Wiederheirat sollte die finanzielle Absicherung gründlich durchdacht werden. Bei bestehenden Zweifeln an der Stabilität der neuen Beziehung könnte die eingetragene Lebenspartnerschaft eine Alternative sein, da sie den Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ex-Partner nicht automatisch beendet.

Auswirkungen auf den Unterhaltspflichtigen

Entfall der Unterhaltspflicht gegenüber dem Ex-Partner

Für den unterhaltspflichtigen Ex-Partner bedeutet die Wiederheirat des ehemaligen Partners eine finanzielle Entlastung, da der nacheheliche Unterhalt entfällt. Diese frei werdenden finanziellen Mittel können sich positiv auf andere Unterhaltsverpflichtungen auswirken.

Auswirkungen auf den Kindesunterhalt

Bei der Berechnung des Kindesunterhalts nach der Wiederheirat des Unterhaltspflichtigen sind folgende Faktoren zu berücksichtigen:

  1. Neue Rangfolge der Unterhaltsberechtigten: Durch eine Wiederheirat kann sich die Rangfolge nach § 1609 BGB ändern, insbesondere wenn aus der neuen Ehe weitere Kinder hervorgehen.

  2. Einkommen des neuen Ehepartners: Das Einkommen des neuen Ehepartners wird bei der Berechnung des Selbstbehalts berücksichtigt. Bei gutverdienenden neuen Partnern kann dies zu einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit führen.

  3. Steuerliche Vorteile: Die Eheschließung und der Wechsel in die günstigere Steuerklasse 3 (bei Ehegattensplitting) kann zu einem höheren Nettoeinkommen führen, was wiederum die Unterhaltshöhe beeinflussen kann.

Beispielrechnung:

Ein unterhaltspflichtiger Vater mit einem Bruttoeinkommen von 4.000 € monatlich zahlt Unterhalt für zwei minderjährige Kinder. Bei Steuerklasse 1 (vor der Wiederheirat) beträgt sein Nettoeinkommen ca. 2.580 €.

Nach der Wiederheirat mit einer nicht berufstätigen Partnerin wechselt er in Steuerklasse 3. Sein Nettoeinkommen steigt auf ca. 2.950 €. Damit erhöht sich seine Leistungsfähigkeit um 370 €, was zu höheren Unterhaltszahlungen führen kann.

Die Wiederheirat des betreuenden Elternteils

Wenn der betreuende Elternteil wieder heiratet, hat dies keinen direkten Einfluss auf die Höhe des Kindesunterhalts. Der andere Elternteil bleibt im gleichen Umfang unterhaltspflichtig. Allerdings gibt es auch hier wichtige Aspekte zu beachten:

Stiefvater-/Stiefmutterunterhalt

Der neue Ehepartner des betreuenden Elternteils wird zum Stiefelternteil. Nach § 1687b BGB erhält er das sogenannte "kleine Sorgerecht", was in Angelegenheiten des täglichen Lebens eine gewisse Mitentscheidungsbefugnis bedeutet. Gleichzeitig entsteht aber keine direkte gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber den Stiefkindern.

Eine Ausnahme besteht nur, wenn:

  • eine sozial-familiäre Beziehung aufgebaut wurde
  • der Stiefelternteil mit dem Kind in einem Haushalt lebt
  • der leibliche, andere Elternteil nicht leistungsfähig ist

In diesem Fall kann eine sogenannte "Stiefkinder-Unterhaltspflicht" entstehen, die jedoch nachrangig zu den Unterhaltspflichten gegenüber leiblichen Kindern ist.

Auswirkung auf staatliche Leistungen

Die Wiederheirat des betreuenden Elternteils kann Auswirkungen auf staatliche Leistungen haben:

  • Unterhaltsvorschuss: Der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss für das Kind bleibt bestehen, solange der andere Elternteil keinen oder nicht den vollen Unterhalt zahlt.
  • Sozialleistungen: Bei der Berechnung von Sozialleistungen wie ALG II wird das Einkommen des neuen Ehepartners berücksichtigt, was zu einer Reduzierung oder dem Wegfall der Leistungen führen kann.

Rechtliche Besonderheiten bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften

Anders als bei einer Wiederheirat bleibt der Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ex-Partner bestehen, wenn der Unterhaltsberechtigte "nur" in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt. Allerdings kann das Zusammenleben mit einem neuen Partner unter bestimmten Umständen zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 7 BGB führen.

Die Rechtsprechung prüft hier im Einzelfall, ob:

  • ein verfestigtes Zusammenleben vorliegt (in der Regel mindestens 2-3 Jahre)
  • eine wirtschaftliche Verflechtung besteht
  • eine wechselseitige Fürsorge und Unterstützung erfolgt

Liegt eine solche verfestigte Lebensgemeinschaft vor, kann der Unterhaltsanspruch reduziert werden oder entfallen.

Steuerrechtliche Auswirkungen einer Wiederheirat

Steuerklassenwechsel

Mit der Wiederheirat können die Ehepartner zwischen verschiedenen Steuerklassenkombinationen wählen:

  • 3/5 (empfehlenswert, wenn ein Partner deutlich mehr verdient)
  • 4/4 (bei ähnlichem Einkommen)
  • 4/4 mit Faktor (gerechte Verteilung der Steuervorteile bei unterschiedlichen Einkommen)

Praxistipp: Der Wechsel in die Steuerklasse 3 erhöht zwar das monatliche Nettoeinkommen, kann aber zu einer Steuernachzahlung bei der Jahressteuererklärung führen.

Absetzen von Unterhaltszahlungen

Unterhaltszahlungen an den geschiedenen Ehepartner können unter bestimmten Voraussetzungen als Sonderausgaben steuerlich geltend gemacht werden (Realsplitting nach § 10 Abs. 1a EStG):

  • Maximal 13.805 € jährlich können abgesetzt werden
  • Der Ex-Partner muss der steuerlichen Berücksichtigung zustimmen
  • Der Ex-Partner muss die erhaltenen Unterhaltszahlungen versteuern

Unterhaltszahlungen an Kinder können dagegen nicht als Sonderausgaben abgesetzt werden. Hier greift stattdessen der Kinderfreibetrag.

Checkliste: Was ist bei einer geplanten Wiederheirat zu beachten?

Für Unterhaltsberechtigte:

  • ✓ Wirtschaftliche Folgen der Wiederheirat kalkulieren
  • ✓ Fälligkeit letzter Unterhaltszahlungen klären
  • ✓ Bestehende Unterhaltsrückstände geltend machen
  • ✓ Steuerliche Auswirkungen prüfen
  • ✓ Ggf. neuen Ehevertrag abschließen

Für Unterhaltspflichtige:

  • ✓ Unterhaltsanpassung beantragen
  • ✓ Steuerklassenwechsel bedenken
  • ✓ Neue Rangfolge bei mehreren Unterhaltsberechtigten beachten
  • ✓ Beratung zur optimalen steuerlichen Gestaltung einholen
  • ✓ Bestehende Unterhaltsverpflichtungen neu dokumentieren

Besondere Fallkonstellationen

Ausländisches Recht und Wiederheirat

Bei internationalen Eheschließungen kann ausländisches Recht zur Anwendung kommen. In manchen Rechtsordnungen kann die Unterhaltspflicht trotz Wiederheirat bestehen bleiben. Dies ist besonders bei Ex-Partnern mit ausländischer Staatsangehörigkeit zu beachten.

Ausnahmen vom Erlöschen des Unterhaltsanspruchs

In sehr seltenen Fällen kann eine vertragliche Vereinbarung getroffen werden, dass der Unterhaltsanspruch trotz Wiederheirat bestehen bleibt. Solche Vereinbarungen sollten:

  • notariell beurkundet werden
  • klare Regelungen zur Dauer und Höhe enthalten
  • steuerliche Aspekte berücksichtigen

Fazit und Empfehlungen

Die Wiederheirat hat erhebliche Auswirkungen auf bestehende Unterhaltsverhältnisse. Während der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt grundsätzlich erlischt, bleiben Verpflichtungen gegenüber Kindern bestehen.

Für beide Seiten – Unterhaltsberechtigte wie -verpflichtete – empfiehlt sich vor einer Wiederheirat eine rechtliche Beratung, um die individuellen Konsequenzen abzuschätzen. Besonders für Unterhaltsberechtigte, die finanziell vom Ex-Partner abhängig sind, sollten die wirtschaftlichen Folgen einer Wiederheirat sorgfältig kalkuliert werden.

Nutzen Sie unseren Ehegattenunterhaltsrechner und Kindesunterhaltsrechner, um die Auswirkungen einer Wiederheirat auf Ihre individuelle Situation zu berechnen.

Hinweis: Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar und ersetzt nicht die individuelle Beratung durch einen Fachanwalt für Familienrecht.