7 Min. Lesezeit
Kindesunterhalt: Fallbeispiel Familie Müller

Fallbeispiel: Kindesunterhalt nach Trennung - Familie Müller mit zwei Kindern

Wenn Eltern sich trennen, gehört die Regelung des Kindesunterhalts zu den wichtigsten finanziellen Fragen. Anhand des folgenden Fallbeispiels erläutern wir Schritt für Schritt, wie der Kindesunterhalt nach einer Trennung berechnet wird und welche Faktoren dabei zu berücksichtigen sind.

Die Ausgangssituation der Familie Müller

Katja und Thomas Müller haben sich nach 12 Jahren Ehe getrennt. Sie haben zwei gemeinsame Kinder:

  • Lena (11 Jahre), besucht die 5. Klasse des Gymnasiums
  • Noah (6 Jahre), besucht die 1. Klasse der Grundschule

Nach der Trennung sind beide Kinder bei Katja geblieben. Thomas hat ein reguläres Umgangsrecht und betreut die Kinder an zwei Wochenenden im Monat sowie an einem Nachmittag in der Woche.

Einkommenssituation

Thomas Müller:

  • Bruttogehalt: 5.200 € monatlich
  • Bereinigtes Nettoeinkommen nach Abzug von Steuern, Sozialabgaben und berufsbedingten Ausgaben: 3.400 € monatlich

Katja Müller:

  • Teilzeittätigkeit mit 25 Stunden pro Woche
  • Bruttogehalt: 2.100 € monatlich
  • Bereinigtes Nettoeinkommen: 1.600 € monatlich

Weitere relevante Informationen

  • Lena nimmt seit drei Jahren Geigenunterricht (monatliche Kosten: 120 €)
  • Noah hat eine leichte Sehschwäche und benötigt eine Brille (Kosten für eine neue Brille: ca. 250 € alle 1-2 Jahre)
  • Die Familie erhält für beide Kinder Kindergeld in Höhe von je 250 € monatlich

Unterhaltsberechnung Schritt für Schritt

Schritt 1: Ermittlung der Unterhaltspflicht

In diesem klassischen Residenzmodell ist die Unterhaltspflicht klar verteilt:

  • Katja leistet als betreuender Elternteil Naturalunterhalt durch die alltägliche Versorgung und Betreuung der Kinder
  • Thomas ist als nicht betreuender Elternteil zum Barunterhalt verpflichtet

Schritt 2: Bestimmung des Einkommens des barunterhaltspflichtigen Elternteils

Für die Berechnung des Kindesunterhalts ist das bereinigte Nettoeinkommen von Thomas relevant:

Bereinigtes Nettoeinkommen von Thomas: 3.400 €

Schritt 3: Ermittlung des Unterhaltsbetrags nach der Düsseldorfer Tabelle

Anhand des bereinigten Nettoeinkommens von Thomas (3.400 €) lässt sich der Unterhaltsbetrag aus der Düsseldorfer Tabelle (Stand 2025) ablesen:

  • Thomas fällt in die Einkommensstufe 5 (3.101 € bis 3.500 €)
  • Lena (11 Jahre) fällt in die Altersstufe 2 (6-11 Jahre): 576 €
  • Noah (6 Jahre) fällt ebenfalls in die Altersstufe 2 (6-11 Jahre): 576 €

Schritt 4: Berücksichtigung des Kindergeldes

Vom ermittelten Unterhaltsbetrag ist das hälftige Kindergeld abzuziehen:

  • Kindergeld pro Kind: 250 €
  • Hälftiges Kindergeld: 125 €

Unterhalt nach Abzug des hälftigen Kindergeldes:

  • Für Lena: 576 € - 125 € = 451 €
  • Für Noah: 576 € - 125 € = 451 €

Schritt 5: Prüfung des Selbstbehalts

Der Selbstbehalt für einen Erwerbstätigen gegenüber minderjährigen Kindern beträgt 1.170 € (Stand 2025).

Thomas' verbleibendes Einkommen nach Abzug des Unterhalts für beide Kinder:

  • 3.400 € - 451 € - 451 € = 2.498 €

Da Thomas nach Abzug der Unterhaltszahlungen noch deutlich mehr als den Selbstbehalt zur Verfügung hat, kann er den vollen Unterhalt für beide Kinder leisten.

Schritt 6: Berücksichtigung von Mehrbedarf

Neben dem regulären Unterhalt können auch Sonder- und Mehrbedarfe entstehen:

Geigenunterricht von Lena (120 € monatlich):

  • Dies gilt als Mehrbedarf, der grundsätzlich von beiden Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen zu tragen ist
  • Einkommensverhältnis: Thomas (3.400 €) zu Katja (1.600 €) = 68% zu 32%
  • Thomas' Anteil am Mehrbedarf: 120 € × 68% = 82 €
  • Katja's Anteil am Mehrbedarf: 120 € × 32% = 38 €

Kosten für Noahs Brille (250 € alle 1-2 Jahre):

  • Dies gilt als Sonderbedarf, der ebenfalls anteilig nach den Einkommensverhältnissen zu tragen ist
  • Bei Anschaffung einer neuen Brille: Thomas trägt 68% = 170 €

Schritt 7: Zusammenfassung der monatlichen Zahlungen

Thomas muss monatlich folgende Beträge zahlen:

  • Grundunterhalt für Lena: 451 €
  • Grundunterhalt für Noah: 451 €
  • Anteiliger Mehrbedarf für Lenas Geigenunterricht: 82 €
  • Gesamtzahlung: 984 € monatlich

Zusätzlich beteiligt er sich bei Bedarf an den Kosten für Noahs Brille mit 170 €.

Besondere Aspekte und häufige Fragen im Fall Müller

Was passiert, wenn sich Thomas' Einkommen ändert?

Sollte Thomas eine Gehaltserhöhung oder -minderung erfahren, kann der Unterhalt entsprechend angepasst werden:

  • Bei einer Erhöhung auf mehr als 3.500 € würde er in die nächsthöhere Einkommensstufe rutschen, was zu höheren Unterhaltsbeträgen führen würde
  • Bei einer Minderung könnte er entsprechend weniger Unterhalt zahlen müssen

Wichtig: Eine Änderung des Unterhalts sollte immer schriftlich festgehalten werden, idealerweise in Form einer neuen Unterhaltsurkunde.

Was passiert, wenn Katja mehr arbeitet?

Sollte Katja ihre Arbeitszeit erhöhen und dadurch mehr verdienen, hätte dies keinen direkten Einfluss auf den Grundunterhalt. Lediglich bei den Mehr- und Sonderbedarfen würde sich die prozentuale Aufteilung verändern.

Beispiel: Erhöht Katja ihr Einkommen auf 2.400 €, ändern sich die Einkommensverhältnisse zu Thomas (3.400 €) auf 59% zu 41%, wodurch sich Thomas' Anteil am Mehrbedarf entsprechend reduzieren würde.

Wie wirkt sich ein erweiterter Umgang auf den Unterhalt aus?

Sollte Thomas die Kinder deutlich mehr betreuen, etwa in Form eines erweiterten Umgangs (z.B. jedes zweite Wochenende von Freitag bis Montag und zusätzlich 1-2 Übernachtungen pro Woche), könnte eine Reduzierung des Unterhalts in Betracht kommen.

Bei einem Betreuungsanteil von mehr als 40% würde sogar ein Wechselmodell vorliegen, was die Unterhaltsberechnung grundlegend ändern würde. Mehr dazu in unserem Ratgeber Wechselmodell und Unterhalt.

Wie ändert sich der Unterhalt, wenn die Kinder älter werden?

Sobald eines der Kinder in die nächste Altersstufe wechselt, erhöht sich der Unterhaltsbedarf:

  • Lena wird in knapp einem Jahr 12 Jahre alt und wechselt dann in die Altersstufe 3 (12-17 Jahre)
  • Der Unterhaltsbetrag würde dann von 576 € auf 674 € steigen (bei gleichbleibendem Einkommen von Thomas)
  • Nach Abzug des hälftigen Kindergeldes wären das 549 € statt 451 €

Wann endet die Unterhaltspflicht?

Die Unterhaltspflicht für die Kinder endet nicht automatisch mit der Volljährigkeit:

  • Solange die Kinder sich in einer Schulausbildung befinden, bleibt die Unterhaltspflicht bestehen
  • Bei einer anschließenden Berufsausbildung oder einem Studium verlängert sich die Unterhaltspflicht bis zum Abschluss einer ersten berufsqualifizierenden Ausbildung
  • Details dazu in unserem Ratgeber Unterhalt für volljährige Kinder

Praktische Tipps für Familie Müller

Tipp 1: Unterhaltstitel erstellen lassen

Um Rechtssicherheit zu schaffen, sollten die Unterhaltsansprüche in einem Unterhaltstitel festgehalten werden. Dies kann erfolgen durch:

  • Eine Unterhaltsurkunde beim Jugendamt (kostenlos)
  • Eine notarielle Urkunde
  • Ein gerichtliches Urteil oder einen gerichtlichen Vergleich

Tipp 2: Dynamischen Titel wählen

Sinnvoll ist ein dynamischer Titel, der vorsieht, dass sich der Unterhalt bei Änderung der Düsseldorfer Tabelle oder bei Wechsel der Altersstufe automatisch anpasst. So werden unnötige Streitigkeiten vermieden.

Tipp 3: Regelung für den Mehrbedarf treffen

Familie Müller sollte eine klare Regelung für die Handhabung des Mehrbedarfs treffen:

  • Festlegung, welche regelmäßigen Mehrbedarfe anerkannt werden
  • Vereinbarung, bis zu welcher Höhe Sonderbedarfe ohne vorherige Rücksprache vom anderen Elternteil anteilig getragen werden müssen
  • Klare Kommunikationswege für die Abstimmung bei außergewöhnlichen Bedarfen

Tipp 4: Kindergeldregelung festhalten

Katja erhält als betreuender Elternteil das Kindergeld. Dies sollte schriftlich festgehalten werden, ebenso die Tatsache, dass Thomas nur das hälftige Kindergeld vom Unterhalt abziehen darf.

Fazit

Das Fallbeispiel der Familie Müller zeigt, wie der Kindesunterhalt nach einer Trennung berechnet wird und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Mit 984 € monatlicher Unterhaltszahlung trägt Thomas angemessen zur finanziellen Versorgung seiner Kinder bei, während Katja durch ihre Betreuungsleistung den Naturalunterhalt sicherstellt.

Wichtig ist eine klare und nachvollziehbare Regelung, die sowohl den grundlegenden Unterhalt als auch Mehr- und Sonderbedarfe umfasst. Im Idealfall werden diese Regelungen in einem Unterhaltstitel festgehalten, der beiden Elternteilen Rechtssicherheit bietet und unnötige Konflikte vermeidet.

Mit unserem Unterhaltsrechner können Sie auch Ihre individuelle Unterhaltssituation berechnen lassen.

Hinweis: Dieses Fallbeispiel basiert auf Daten der Düsseldorfer Tabelle 2025 und stellt keine Rechtsberatung dar. Für eine individuelle Beratung wenden Sie sich bitte an einen Fachanwalt für Familienrecht.