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Unterhalt für volljährige Kinder – Anspruch, Höhe und Besonderheiten

Unterhalt für volljährige Kinder – Anspruch, Höhe und Besonderheiten

Mit dem 18. Geburtstag ändert sich die rechtliche Situation beim Kindesunterhalt grundlegend. Während minderjährige Kinder fast immer uneingeschränkten Unterhaltsanspruch haben, gelten für volljährige Kinder andere Regeln. Dieser Ratgeber erläutert, unter welchen Bedingungen volljährige Kinder Anspruch auf Unterhalt haben, wie sich die Höhe berechnet und welche Besonderheiten zu beachten sind.

Grundlagen des Unterhalts für volljährige Kinder

Mit Erreichen der Volljährigkeit verändern sich die Unterhaltsansprüche in mehrfacher Hinsicht:

  1. Beide Elternteile werden barunterhaltspflichtig Anders als bei minderjährigen Kindern, bei denen ein Elternteil durch Betreuung und Pflege seiner Unterhaltspflicht nachkommen kann, müssen bei volljährigen Kindern grundsätzlich beide Elternteile Barunterhalt leisten.

  2. Erhöhter Selbstbehalt der Eltern Gegenüber volljährigen Kindern gilt ein höherer Selbstbehalt von 1.430 € (Stand 2025) statt 1.170 € bei minderjährigen Kindern.

  3. Eigenes Einkommen wird angerechnet Einkünfte des volljährigen Kindes werden in stärkerem Maße auf den Unterhaltsanspruch angerechnet.

  4. Ausbildungsbezogener Unterhalt Der Unterhalt ist grundsätzlich an eine angemessene Ausbildung geknüpft.

Wann besteht Anspruch auf Volljährigenunterhalt?

Nicht jedes volljährige Kind hat automatisch Anspruch auf Unterhalt. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

  • Bedürftigkeit: Das Kind ist wirtschaftlich nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten.
  • Ausbildungssituation: Das Kind befindet sich in einer angemessenen Schul- oder Berufsausbildung bzw. im Studium.
  • Zeitliche Angemessenheit: Die Ausbildung wird zielstrebig und ohne vermeidbare Verzögerungen absolviert.

Privilegierte und nicht-privilegierte volljährige Kinder

Das Gesetz unterscheidet zwischen zwei Gruppen volljähriger Kinder:

Privilegierte volljährige Kinder (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB)

Als "privilegiert" gelten volljährige Kinder, die:

  • noch nicht 21 Jahre alt sind,
  • im Haushalt mindestens eines Elternteils leben und
  • sich in einer allgemeinen Schulausbildung befinden.

Für diese Gruppe gelten ähnliche Bedingungen wie für minderjährige Kinder:

  • Sie stehen in der Rangfolge der Unterhaltsberechtigten auf gleicher Stufe wie minderjährige Kinder.
  • Der betreuende Elternteil kann weiterhin Kindergeld beziehen.
  • Es gilt der verminderte Selbstbehalt der Eltern wie bei minderjährigen Kindern.

Nicht-privilegierte volljährige Kinder

Alle anderen volljährigen Kinder gelten als "nicht-privilegiert". Hierzu zählen:

  • Kinder über 21 Jahre
  • Volljährige Kinder, die nicht mehr bei den Eltern wohnen
  • Volljährige Kinder, die keine allgemeine Schulausbildung mehr absolvieren

Für diese Gruppe gelten strengere Regeln:

  • Sie rangieren in der Unterhaltsrangfolge nach minderjährigen Kindern und privilegierten volljährigen Kindern.
  • Beide Elternteile müssen Barunterhalt leisten, unabhängig davon, ob das Kind bei einem Elternteil wohnt.
  • Der erhöhte Selbstbehalt der Eltern von 1.430 € kommt zur Anwendung.

Höhe des Unterhalts für volljährige Kinder

Die Höhe des Unterhalts für volljährige Kinder richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle. Dabei sind folgende Besonderheiten zu beachten:

Berechnung des Bedarfs

  1. Grundbedarf nach Düsseldorfer Tabelle Für volljährige Kinder gilt die 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle.

  2. Wohnsituation

    • Bei den Eltern wohnend: Reduzierung des Tabellenbetrags um den häuslichen Wohnvorteil (in der Regel 30%)
    • Eigene Wohnung: Voller Tabellenbetrag plus Wohnkosten bis zu einer angemessenen Höhe
  3. Anrechnung des Kindergelds Bei volljährigen Kindern wird das Kindergeld vollständig vom Unterhaltsbedarf abgezogen (bei minderjährigen Kindern nur zur Hälfte).

  4. Aufteilung zwischen den Eltern Der Unterhalt wird zwischen beiden Elternteilen nach ihrem Einkommen anteilig aufgeteilt.

Beispielrechnung

Ausgangssituation:

  • 19-jähriger Sohn im ersten Semester Informatik, eigene Wohnung
  • Vater: Bereinigtes Nettoeinkommen 3.200 €
  • Mutter: Bereinigtes Nettoeinkommen 2.400 €
  • Kindergeld: 250 €
  • Angemessene Warmmiete: 450 €

Berechnung:

  1. Grundbedarf nach Düsseldorfer Tabelle (Einkommensstufe 4, Altersstufe 4): 660 €
  2. Zuzüglich Wohnkosten: 450 €
  3. Gesamtbedarf: 1.110 €
  4. Abzüglich Kindergeld: 1.110 € - 250 € = 860 €
  5. Aufteilung nach Einkommensverhältnis:
    • Vater: 3.200 € = 57% → 860 € × 0,57 = 490 €
    • Mutter: 2.400 € = 43% → 860 € × 0,43 = 370 €

Der Vater muss demnach 490 € und die Mutter 370 € monatlich an Unterhalt zahlen.

Besonderheiten bei verschiedenen Ausbildungswegen

Schulausbildung nach Volljährigkeit

Für Kinder, die ihre Schulausbildung nach Volljährigkeit fortsetzen (z.B. Abitur, Fachoberschule), gilt:

  • Bis 21 Jahre mit Wohnsitz bei einem Elternteil: Status als privilegiertes volljähriges Kind mit entsprechenden Vorteilen
  • Angemessenheit: Eine erste schulische Ausbildung bis zum Abitur gilt grundsätzlich als angemessen
  • Zielstrebigkeit: Regelmäßiger Schulbesuch und angemessene Leistungen werden erwartet

Berufsausbildung

Bei einer Berufsausbildung sind folgende Punkte relevant:

  • Erste vs. zweite Ausbildung: Unterhalt ist grundsätzlich für eine erste berufsqualifizierende Ausbildung zu zahlen
  • Ausbildungsvergütung: Wird zu 90% auf den Unterhaltsbedarf angerechnet (nach Abzug ausbildungsbedingter Kosten)
  • Ausbildungsdauer: Der Unterhalt ist für die reguläre Ausbildungsdauer zu zahlen

Studium

Beim Unterhalt während eines Studiums gelten besondere Regeln:

  • Regelstudienzeit: Der Unterhaltsanspruch besteht grundsätzlich für die Regelstudienzeit plus 1-2 Semester
  • Studienfachwechsel: Ein einmaliger Wechsel in den ersten beiden Semestern ist in der Regel unschädlich
  • BAföG: Wird als Einkommen angerechnet, ebenso wie fiktives BAföG, wenn ein Anspruch bestünde, aber nicht geltend gemacht wird
  • Eigenes Einkommen: Einkünfte bis 520 € monatlich (Minijob) bleiben in der Regel anrechnungsfrei

Praxistipp: Für Studenten ist eine detaillierte Aufstellung der monatlichen Kosten empfehlenswert, um den tatsächlichen Bedarf nachweisen zu können. Dazu gehören neben der Miete auch Kosten für Lernmaterialien, Semesterbeiträge und studienbezogene Ausgaben.

Anrechnung von eigenem Einkommen

Bei volljährigen Kindern wird eigenes Einkommen auf den Unterhaltsbedarf angerechnet. Folgende Regeln sind zu beachten:

Arten von anzurechnendem Einkommen

  • Ausbildungsvergütung: Wird nach Abzug berufsnotwendiger Ausgaben zu 90% angerechnet
  • Nebenjobs: Bei Studenten bleibt in der Regel ein Betrag von 520 € anrechnungsfrei
  • BAföG und andere Ausbildungsförderungen: Werden vollständig angerechnet
  • Kapitalerträge und Vermögen: Sind grundsätzlich anzurechnen, wobei ein angemessener Notgroschen verbleiben muss

Berechnungsbeispiel mit eigenem Einkommen

Ausgangssituation:

  • 20-jährige Tochter in Ausbildung mit Ausbildungsvergütung von 850 €
  • Berufsbedingte Ausgaben: 150 €
  • Unterhaltsbedarf nach Düsseldorfer Tabelle: 660 €
  • Kindergeld: 250 €

Berechnung:

  1. Netto-Ausbildungsvergütung: 850 € - 150 € = 700 €
  2. Davon 90% anzurechnen: 700 € × 0,9 = 630 €
  3. Unterhaltsbedarf: 660 €
  4. Abzüglich anzurechnendes Einkommen: 660 € - 630 € = 30 €
  5. Abzüglich Kindergeld: 30 € - 250 € = -220 €

Da das anzurechnende Einkommen plus Kindergeld den Unterhaltsbedarf übersteigt, besteht kein Unterhaltsanspruch mehr.

Wann endet der Unterhaltsanspruch?

Der Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder ist nicht unbegrenzt. Er endet, wenn:

  1. Eine berufsqualifizierende Ausbildung abgeschlossen wurde und das Kind in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten.
  2. Die Ausbildung nicht zielstrebig verfolgt wird (erhebliche Verzögerungen, wiederholtes Nichtbestehen von Prüfungen ohne triftigen Grund).
  3. Die Ausbildung abgebrochen wird, ohne eine neue zu beginnen.
  4. Das Alter von 25 Jahren überschritten wird, sofern keine besonderen Gründe für eine längere Unterhaltspflicht vorliegen.
  5. Eine eigene Familie gegründet wird (Heirat, eigene Kinder).

Besondere Fallkonstellationen:

  • Bei Zeiten zwischen Schulabschluss und Ausbildungs-/Studienbeginn: Überbrückungszeiten bis zu 4 Monaten sind in der Regel unschädlich
  • Bei Wartesemestern: Wenn die Verzögerung nicht selbst verschuldet ist, bleibt der Unterhaltsanspruch bestehen
  • Bei freiwilligem sozialen Jahr oder Bundesfreiwilligendienst: Der Unterhaltsanspruch kann bestehen bleiben, wenn dies zur beruflichen Orientierung dient

Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs

Für volljährige Kinder gelten bei der Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs besondere Regeln:

Selbständige Geltendmachung

Anders als bei minderjährigen Kindern muss ein volljähriges Kind seinen Unterhaltsanspruch selbst geltend machen. Das bedeutet:

  • Direkter Anspruch gegen beide Elternteile: Das Kind muss den Unterhalt von beiden Elternteilen selbst einfordern.
  • Auskunftspflicht: Das Kind kann von beiden Elternteilen Auskunft über deren Einkommen und Vermögen verlangen.
  • Eigene Auskunftspflicht: Das Kind muss seinerseits vollständig über sein eigenes Einkommen informieren.

Verfahrensrechtliche Besonderheiten

  • Keine Verfahrenskostenhilfe vom Jugendamt: Volljährige erhalten keine kostenlose Unterstützung durch das Jugendamt.
  • Kein Unterhaltsvorschuss: Die staatliche Unterhaltsvorschussleistung endet mit dem 18. Geburtstag.
  • Beratungs- und Prozesskostenhilfe: Bei geringem Einkommen können volljährige Kinder Beratungs- und Prozesskostenhilfe beantragen.

Steuerliche Aspekte

Bei volljährigen Kindern sind folgende steuerliche Aspekte zu beachten:

  1. Kindergeld: Wird bis zum 25. Lebensjahr gezahlt, solange sich das Kind in Ausbildung befindet.
  2. Kinderfreibetrag: Kann von den Eltern bis zum 25. Lebensjahr geltend gemacht werden.
  3. Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastungen: Unter bestimmten Voraussetzungen können Unterhaltszahlungen an Kinder über 25 Jahre als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden.

Checkliste: Was sollten volljährige Kinder beachten?

Vor dem 18. Geburtstag:

  • ✓ Frühzeitig mit beiden Elternteilen über die künftige Unterhaltssituation sprechen
  • ✓ Klarheit über Ausbildungspläne schaffen
  • ✓ BAföG-Anspruch prüfen
  • ✓ Budget für die Zeit nach der Volljährigkeit planen

Nach dem 18. Geburtstag:

  • ✓ Schriftliche Unterhaltsvereinbarung mit beiden Elternteilen treffen
  • ✓ Regelmäßige Updates zur Ausbildungssituation an beide Elternteile geben
  • ✓ Bescheinigungen über Ausbildung/Studium sammeln
  • ✓ Eigenes Einkommen dokumentieren
  • ✓ Bei Ausbildungs-/Studienverzögerungen frühzeitig informieren

Häufige Fragen zum Volljährigenunterhalt

Muss ich als volljähriges Kind Auskunft über meine Noten geben?

Ja, volljährige Kinder haben eine gesteigerte Auskunftspflicht. Dazu gehören auch Informationen über den Ausbildungsfortschritt, einschließlich Noten, Prüfungsergebnisse und Studienverlauf.

Kann ein Elternteil den Unterhalt verweigern, wenn kein Kontakt besteht?

Nein, der Unterhaltsanspruch besteht unabhängig vom persönlichen Kontakt zwischen Eltern und Kind. Eine Kontaktverweigerung oder ein zerrüttetes Verhältnis rechtfertigen nicht die Verweigerung von Unterhaltszahlungen.

Wie lange muss für ein Studium Unterhalt gezahlt werden?

Grundsätzlich besteht der Unterhaltsanspruch für die Regelstudienzeit plus 1-2 Toleranzsemester. Verzögerungen durch nicht selbst verschuldete Umstände (Krankheit, fehlende Studienplätze) können den Zeitraum verlängern.

Besteht ein Anspruch auf Unterhalt für ein Zweitstudium oder eine zweite Ausbildung?

In der Regel nicht. Der Unterhaltsanspruch umfasst nur eine erste berufsqualifizierende Ausbildung. Ausnahmen können gelten, wenn:

  • die erste Ausbildung aus gesundheitlichen Gründen nicht ausgeübt werden kann
  • die zweite Ausbildung in direktem Zusammenhang mit der ersten steht (z.B. Bachelor nach Ausbildung im gleichen Fachbereich)
  • die erste Ausbildung für eine angemessene Lebensführung nicht ausreicht

Müssen Eltern auch für ein Auslandsstudium aufkommen?

Wenn das Auslandsstudium sinnvoll und angemessen ist, können auch hierfür Unterhaltsansprüche bestehen. Allerdings nur in Höhe der Kosten, die für ein vergleichbares Studium im Inland anfallen würden, es sei denn, die Eltern haben dem kostenintensiveren Auslandsstudium zugestimmt.

Fazit

Der Unterhalt für volljährige Kinder unterscheidet sich in vielen Punkten von dem für minderjährige Kinder. Während der Anspruch grundsätzlich bis zum Abschluss einer angemessenen Ausbildung besteht, sind die Anforderungen an das volljährige Kind höher: Es muss seine Ausbildung zielstrebig verfolgen, über Fortschritte informieren und eigenes Einkommen anrechnen lassen.

Für Eltern wie für volljährige Kinder empfiehlt sich eine frühzeitige und offene Kommunikation über die Unterhaltssituation, idealerweise verbunden mit einer schriftlichen Vereinbarung, um späteren Konflikten vorzubeugen.

Hinweis: Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar und ersetzt nicht die individuelle Beratung durch einen Fachanwalt für Familienrecht.