Berechnung des Elternunterhalts
Die Berechnung des Elternunterhalts folgt bestimmten Grundsätzen und erfordert eine sorgfältige Prüfung sowohl der Bedürftigkeit des Elternteils als auch der Leistungsfähigkeit des Kindes. Auf dieser Seite erläutern wir Ihnen Schritt für Schritt, wie der Elternunterhalt berechnet wird und geben Ihnen anschauliche Beispiele.
Grundprinzipien der Elternunterhaltsberechnung
Zweistufige Prüfung
Die Berechnung des Elternunterhalts erfolgt in zwei wesentlichen Schritten:
- Bedürftigkeitsprüfung: Ermittlung, ob und in welcher Höhe der Elternteil unterhaltsbedürftig ist
- Leistungsfähigkeitsprüfung: Feststellung, ob und in welchem Umfang das Kind leistungsfähig ist
Nur wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, kann ein konkreter Unterhaltsbetrag berechnet werden.
Vorrang des Angehörigen-Entlastungsgesetzes
Seit dem 1. Januar 2020 gilt:
- Bei einem Jahresbruttoeinkommen des Kindes unter 100.000 Euro entfällt die Unterhaltspflicht komplett
- Die weitere Berechnung ist nur für Kinder mit Einkommen über dieser Grenze relevant
- Bei Ehepaaren wird nur das individuelle Einkommen des Kindes, nicht das gemeinsame Einkommen herangezogen
Besonderheiten im Vergleich zu anderen Unterhaltsarten
Der Elternunterhalt weist einige Besonderheiten auf:
- Deutlich höherer Selbstbehalt für die unterhaltspflichtigen Kinder
- Stärkerer Schutz der eigenen Altersvorsorge und des Vermögens
- Nachrangigkeit gegenüber anderen Unterhaltspflichten
- Verteilung auf mehrere Kinder nach Leistungsfähigkeit
Schritt 1: Berechnung der Bedürftigkeit des Elternteils
Ermittlung des Bedarfs
Zunächst wird der Bedarf des Elternteils ermittelt:
-
Bei stationärer Pflege:
- Kosten der Heimunterbringung (Grundkosten, Pflegekosten, Investitionskosten)
- Zusätzliche medizinische Aufwendungen, die nicht von der Krankenversicherung übernommen werden
- Angemessenes Taschengeld für persönliche Bedürfnisse (ca. 120 Euro monatlich)
-
Bei ambulanter Pflege:
- Kosten für Miete und Nebenkosten (oder Wohnwert bei Eigentum)
- Lebenshaltungskosten (Nahrung, Kleidung, Heizung etc.)
- Kosten für Pflegedienst oder Pflegehilfsmittel
- Kosten für Haushaltshilfe
- Medizinische Aufwendungen
Anrechnung eigener Mittel des Elternteils
Vom ermittelten Bedarf werden die eigenen Mittel des Elternteils abgezogen:
-
Einkünfte:
- Renten und Pensionen
- Leistungen der Pflegeversicherung
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
- Kapitaleinkünfte (Zinsen, Dividenden)
- Sonstige regelmäßige Einnahmen
-
Anrechnung von Vermögen:
- Bargeld und Bankguthaben über dem Schonbetrag (ca. 5.000 Euro)
- Wertpapiere und sonstige Kapitalanlagen
- Immobilienvermögen (soweit nicht geschützt)
- Ansprüche gegen Dritte (z.B. Rückforderungen)
-
Berücksichtigung von Freibeträgen:
- Barbetrag zur freien Verfügung (ca. 5.000 Euro)
- Angemessene Bestattungsvorsorge (ca. 5.000 Euro)
- Selbst genutztes Wohneigentum (unter bestimmten Voraussetzungen)
Berechnung der Bedarfslücke
Die Differenz zwischen dem Bedarf und den eigenen Mitteln ergibt die Bedarfslücke:
Beispiel 1 (Pflegeheim):
Heimkosten gesamt: 4.200 €
+ Taschengeld: 120 €
= Gesamtbedarf: 4.320 €
Abzüglich eigener Mittel:
- Altersrente: 1.300 €
- Leistungen Pflegeversicherung (Pflegegrad 3): 1.775 €
= Bedarfslücke: 1.245 €
Beispiel 2 (Häusliche Pflege):
Grundbedarf (Miete, Lebenshaltung): 1.400 €
Kosten für ambulanten Pflegedienst: 1.200 €
= Gesamtbedarf: 2.600 €
Abzüglich eigener Mittel:
- Altersrente: 1.100 €
- Leistungen Pflegeversicherung (Pflegegrad 2): 761 €
= Bedarfslücke: 739 €
Schritt 2: Berechnung der Leistungsfähigkeit des Kindes
Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens
Ausgangspunkt ist das gesamte Nettoeinkommen des Kindes:
-
Einkünfte:
- Nettolohn/Nettogehalt aus nichtselbständiger Tätigkeit
- Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (Gewinn)
- Einkünfte aus Kapitalvermögen nach Steuern
- Miet- und Pachteinnahmen (nach Abzug der Kosten)
- Renteneinkünfte
- Sonstige Einkünfte
-
Abzüge für berufsbedingte Aufwendungen:
- Fahrtkosten zur Arbeit (0,30 € pro Entfernungskilometer)
- Beiträge zu Berufsverbänden
- Kosten für Arbeitsmittel
- Fortbildungskosten
- Mehraufwendungen bei Dienstreisen
-
Abzüge für Vorsorgeaufwendungen:
- Zusätzliche Altersvorsorge (bis zu 5% des Bruttoeinkommens)
- Krankheits- und Pflegevorsorge
- Berufsunfähigkeitsversicherung
- Risikolebensversicherung (in angemessenem Umfang)
-
Berücksichtigung von Verbindlichkeiten:
- Kreditraten für angemessene Wohnimmobilie
- Darlehen für existenznotwendige Anschaffungen
- Keine Berücksichtigung von Konsumkrediten für Luxusgüter
- Keine nachträglich begründeten Verbindlichkeiten zur Umgehung der Unterhaltspflicht
Abzug des erweiterten Selbstbehalts
Vom bereinigten Nettoeinkommen wird der erweiterte Selbstbehalt abgezogen:
-
Grundselbstbehalt:
- Für Alleinstehende: 2.000 € (Stand 2024)
- Für Ehepaare: 3.600 € (Stand 2024)
-
Wohnkosten:
- Angemessene Miete inklusive Nebenkosten
- Bei Wohneigentum: Kreditraten, Instandhaltungspauschale, Grundsteuer, Versicherungen
- Die Angemessenheit richtet sich nach regionalen Verhältnissen und der Familienstruktur
-
Vorrangige Unterhaltspflichten:
- Unterhalt für eigene minderjährige Kinder
- Unterhalt für volljährige Kinder in Ausbildung
- Ehegattenunterhalt
- Diese Pflichten haben Vorrang vor dem Elternunterhalt
Berücksichtigung des Vermögens
Anders als bei anderen Unterhaltsarten gibt es beim Elternunterhalt einen umfassenden Vermögensschutz:
- Angemessenes selbst genutztes Wohneigentum bleibt unangetastet
- Vermögen zur eigenen angemessenen Altersvorsorge wird geschützt
- Rücklagen für erwartbare größere Anschaffungen oder Reparaturen
- Vermögen für die Ausbildung eigener Kinder
Nur frei verfügbares Vermögen, das nicht diesen Zwecken dient, kann für den Elternunterhalt herangezogen werden.
Berechnung des verfügbaren Einkommens
Die Differenz zwischen dem bereinigten Nettoeinkommen und dem erweiterten Selbstbehalt einschließlich aller berechtigten Abzüge ergibt das für den Elternunterhalt verfügbare Einkommen.
Beispiel:
Bereinigtes Nettoeinkommen: 5.000 €
- Grundselbstbehalt (Ehepaar): 3.600 €
- Angemessene Wohnkosten: 1.000 €
- Vorrangiger Kindesunterhalt: 500 €
= Verfügbares Einkommen: -100 €
Im obigen Beispiel wäre das Kind nicht leistungsfähig, da kein positives verfügbares Einkommen verbleibt.
Schritt 3: Festsetzung des konkreten Unterhaltsbetrags
Gegenüberstellung von Bedarf und Leistungsfähigkeit
Der tatsächlich zu zahlende Elternunterhalt ergibt sich aus dem Vergleich:
- Ist das verfügbare Einkommen negativ, besteht keine Unterhaltspflicht
- Ist das verfügbare Einkommen positiv, aber niedriger als die Bedarfslücke, wird nur das verfügbare Einkommen als Unterhalt geschuldet
- Ist das verfügbare Einkommen höher als die Bedarfslücke, ist die Bedarfslücke der geschuldete Unterhaltsbetrag
Berücksichtigung mehrerer unterhaltspflichtiger Kinder
Wenn mehrere Kinder zum Unterhalt verpflichtet sind:
- Jedes Kind wird einzeln auf seine Leistungsfähigkeit geprüft
- Die Aufteilung erfolgt anteilig nach dem verfügbaren Einkommen
- Kinder mit Einkommen unter 100.000 € werden nicht berücksichtigt
- Ein Kind muss nicht für den Anteil eines nicht leistungsfähigen Geschwisterkindes aufkommen
Beispiel:
Bedarfslücke des Elternteils: 1.200 €
Kind 1: Verfügbares Einkommen 400 €
Kind 2: Verfügbares Einkommen 800 €
Kind 3: Einkommen unter 100.000 € (nicht heranzuziehen)
Anteil Kind 1: 400 € ÷ (400 € + 800 €) × 1.200 € = 400 €
Anteil Kind 2: 800 € ÷ (400 € + 800 €) × 1.200 € = 800 €
In diesem Beispiel zahlt jedes Kind entsprechend seiner Leistungsfähigkeit, in Summe wird die gesamte Bedarfslücke gedeckt.
Praktische Beispielrechnungen
Beispiel 1: Einzelkind mit gutem Einkommen
Situation:
- Mutter im Pflegeheim, Pflegegrad 3
- Heimkosten: 4.200 € monatlich
- Rente der Mutter: 1.500 €
- Pflegegeld: 1.775 €
- Sohn verdient als leitender Angestellter brutto 140.000 € jährlich (netto ca. 6.700 € monatlich)
- Verheiratet, 2 Kinder (14 und 16 Jahre), Ehefrau teilzeitbeschäftigt (1.200 € netto)
- Eigenheim mit Kreditrate 1.400 € monatlich
Schritt 1: Bedürftigkeit der Mutter
Heimkosten: 4.200 €
Taschengeld: 120 €
Gesamtbedarf: 4.320 €
- Rente: 1.500 €
- Pflegegeld: 1.775 €
= Bedarfslücke: 1.045 €
Schritt 2: Leistungsfähigkeit des Sohnes
Nettoeinkommen: 6.700 €
- Erwerbstätigenbonus: 200 €
- Altersvorsorge (5% vom Brutto): 583 €
= Bereinigtes Nettoeinkommen: 5.917 €
- Selbstbehalt (Ehepaar): 3.600 €
- Wohnkosten: 1.400 €
- Kindesunterhalt: 2 × 450 € = 900 €
= Verfügbares Einkommen: 17 €
Schritt 3: Unterhaltsbetrag
Da lediglich 17 € als verfügbares Einkommen verbleiben, ist der Sohn faktisch nicht leistungsfähig oder könnte maximal 17 € Unterhalt zahlen.
Beispiel 2: Mehrere unterhaltspflichtige Kinder
Situation:
- Vater im Pflegeheim, Pflegegrad 4
- Heimkosten: 4.500 € monatlich
- Rente des Vaters: 1.800 €
- Pflegegeld: 2.095 €
- Drei Kinder mit Jahresbruttoeinkommen über 100.000 €
Schritt 1: Bedürftigkeit des Vaters
Heimkosten: 4.500 €
Taschengeld: 120 €
Gesamtbedarf: 4.620 €
- Rente: 1.800 €
- Pflegegeld: 2.095 €
= Bedarfslücke: 725 €
Schritt 2: Leistungsfähigkeit der Kinder
Kind 1: Verfügbares Einkommen 500 €
Kind 2: Verfügbares Einkommen 300 €
Kind 3: Verfügbares Einkommen 200 €
Summe verfügbares Einkommen: 1.000 €
Schritt 3: Verteilung des Unterhalts
Da das gemeinsame verfügbare Einkommen (1.000 €) die Bedarfslücke (725 €) übersteigt, wird anteilig verteilt:
Kind 1: 500 € ÷ 1.000 € × 725 € = 363 €
Kind 2: 300 € ÷ 1.000 € × 725 € = 218 €
Kind 3: 200 € ÷ 1.000 € × 725 € = 145 €
Beispiel 3: Kind mit Einkommen knapp über 100.000 Euro
Situation:
- Vater in häuslicher Pflege, Pflegegrad 2
- Gesamtbedarf inkl. Pflegedienst: 2.400 € monatlich
- Rente des Vaters: 1.200 €
- Pflegegeld: 761 €
- Tochter mit Jahresbruttoeinkommen von 105.000 € (ca. 5.000 € netto monatlich)
Schritt 1: Bedürftigkeit des Vaters
Gesamtbedarf: 2.400 €
- Rente: 1.200 €
- Pflegegeld: 761 €
= Bedarfslücke: 439 €
Schritt 2: Leistungsfähigkeit der Tochter
Nettoeinkommen: 5.000 €
- Erwerbstätigenbonus: 200 €
- Altersvorsorge: 440 €
= Bereinigtes Nettoeinkommen: 4.360 €
- Selbstbehalt (alleinstehend): 2.000 €
- Wohnkosten: 1.100 €
- Vorsorge für größere Anschaffungen: 200 €
= Verfügbares Einkommen: 1.060 €
Schritt 3: Unterhaltsbetrag
Da das verfügbare Einkommen (1.060 €) die Bedarfslücke (439 €) übersteigt, ist der Unterhaltsbetrag 439 €.
Besondere Berechnungsfragen
Berücksichtigung des Ehepartners
Bei verheirateten unterhaltspflichtigen Kindern wird in der Regel wie folgt vorgegangen:
- Der Ehepartner ist nicht direkt gegenüber den Schwiegereltern unterhaltspflichtig
- Bei Zusammenveranlagung wird eine anteilige Kostentragung nach Einkommensverhältnissen berücksichtigt
- Die gemeinsamen Haushaltskosten werden nach den jeweiligen Einkommen aufgeteilt
- Der erhöhte Selbstbehalt für Ehepaare (3.600 €) kommt zur Anwendung
Umgang mit Vermögen
Bei der Berücksichtigung von Vermögen gelten diese Grundsätze:
- Vermögen, das der angemessenen Altersvorsorge dient, bleibt geschützt
- Als angemessen gilt: Kapital, das eine Zusatzrente von ca. 500-800 € monatlich generieren kann
- Selbstgenutztes angemessenes Wohneigentum ist grundsätzlich geschützt
- Vermögen für die Ausbildung der eigenen Kinder wird nicht angetastet
- Rücklagen für notwendige Anschaffungen oder Reparaturen bleiben erhalten
Steuerliche Aspekte
Der gezahlte Elternunterhalt kann steuerlich geltend gemacht werden:
- Abzug als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG
- Berücksichtigung der zumutbaren Eigenbelastung (abhängig vom Einkommen)
- Bei mehreren unterhaltspflichtigen Kindern: Anteilige Berücksichtigung
- Nachweis der Zahlungen durch Belege erforderlich
Spezielle Fallkonstellationen
Elternteil mit eigener Immobilie
Wenn der pflegebedürftige Elternteil Eigentümer einer Immobilie ist:
- Selbst bewohntes Haus/Wohnung bleibt geschützt, wenn es auch vom Ehepartner bewohnt wird
- Bei Unterbringung im Pflegeheim: Mögliche Verwertungspflicht, wenn keine Rückkehr zu erwarten ist
- Möglicher Nießbrauch oder Wohnrecht zur Erzielung von Einnahmen
- Angemessenes Verkehrswertgutachten zur Bewertung erforderlich
Schenkungen und Vermögensübertragungen
Vermögensübertragungen von Eltern an Kinder werden kritisch geprüft:
- 10-Jahres-Frist nach § 528 BGB: Rückforderung von Schenkungen möglich
- Bei gezielter Vermögensverschiebung zur Umgehung des Sozialhilferegresses: Mögliche Anfechtung
- Angemessene Gegenleistungen (z.B. Pflegeleistungen, Wohnrecht) können berücksichtigt werden
- Dokumentation von Vereinbarungen ist entscheidend
Geschwister mit unterschiedlichen Einkommensverhältnissen
Wenn einige Geschwister über und andere unter der 100.000-Euro-Grenze liegen:
- Nur Geschwister über der Einkommensgrenze werden herangezogen
- Keine Erhöhung der Unterhaltslast für diese Geschwister wegen "Ausfalls" der anderen
- Jedes Kind haftet nur anteilig entsprechend seiner Leistungsfähigkeit
- Der Sozialhilfeträger trägt die verbleibende Lücke
Fazit und weiterführende Informationen
Die Berechnung des Elternunterhalts ist ein komplexer Prozess, der eine sorgfältige Analyse der finanziellen Situation sowohl der Eltern als auch der Kinder erfordert. Durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz mit der 100.000-Euro-Grenze ist die praktische Bedeutung des Elternunterhalts zwar gesunken, doch für Kinder mit höheren Einkommen bleibt das Thema relevant.
Eine frühzeitige und umfassende Beratung kann helfen, die finanziellen Auswirkungen besser abzuschätzen und gegebenenfalls Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen. Unsere Rechner-Tools bieten Ihnen eine erste Orientierungshilfe, ersetzen jedoch nicht die individuelle rechtliche Beratung.
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